Hockey EM als Schiedsrichter – Interview mit Ben Göntgen

Die diesjährige Hockey-Europameisterschaft in Mönchengladbach ist gerade vorbei und die Erfolge der deutschen Teams sind noch sehr frisch. Für uns ist jedoch ganz besonders in Erinnerung, dass auch ein ehemaliger Kahlenberger im Rampenlicht stand. Allerdings nicht mit dem Schläger, sondern mit der Pfeife. Ben Göntgen, FIH Umpire of the Year 2023, leitete zahlreiche Spiele des Turniers. Dass beide deutschen Teams bis ins Finale kamen, verhinderte zwar seinen eigenen Finaleinsatz, doch die EM wurde für Ben dennoch zu einem unvergesslichen Erlebnis. Vor vollen Rängen, mit Unterstützung vieler Freunde und Wegbegleiter aus ganz Hockeydeutschland, erlebte er die einzigartige Atmosphäre einer Heim-EM.
Als besondere Anerkennung erhielt Ben zudem die Goldene Ehrennadel des Deutschen Hockey-Bundes für seine Verdienste im Schiedsrichterwesen. Grund genug, mit ihm über diese Erfahrung, seine bisherige Karriere und darüber zu sprechen, was ihn antreibt und was er jungen Hockeyspieler:innen mit auf den Weg geben möchte.
Ben, wie hast du es persönlich erlebt, als Schiedsrichter in deinem Heimatland bei einer Europameisterschaft auf dem Platz zu stehen?
- Erst einmal muss man sagen, dass es ja mein zweites EM-Heimturnier in Folge war und ich somit ein wenig mehr darauf vorbereitet war, was auf mich zukommt. Die Stimmung auf und neben den Rängen war gut, das Wetter hat fast zu gut mitgespielt – es gab schon sehr heiße Tage und man kannte als „Heimschiedsrichter“ viele Leute. Aber natürlich ist es etwas Besonderes, im „eigenen“ Stadion bei dem größten europäischen Turnier auf dem Platz zu stehen.
Viele Freunde, Fans und Wegbegleiter waren im Stadion. Was hat dir diese Unterstützung bedeutet, gerade in der intensiven Turnieratmosphäre?
- Es ist tatsächlich so, dass man dort dann ein paar mehr Leute kennt, ab und an seinen Namen von den Rängen zugerufen bekommt um mal hallo zusagen oder zu winken. Das hat man in den auswärtigen Stadien eher selten. Oder beim Verlassen des Platzes standen kleine Nachwuchsschiris am Rand, die dann ein Autogramm oder Selfie haben wollten. Das macht das Ganze schon etwas besonders. An freien Tagen, die man auch als Schiri hat, ist es bei so einem Turnier angenehm, dass man ins Stadion geht und dann einfach mal aus seiner Hockey-Schiri-Turnier-Bubble rauskommt, weil man sich kurz mit Freunden verabredet hat und gemeinsam ein Spiel schaut. Das ist eine nette und willkommene Ablenkung.
Auch wenn du aufgrund der Finalteilnahmen der deutschen Teams kein Finale pfeifen konntest – welches Spiel oder welcher Moment bleibt dir von dieser EM besonders in Erinnerung?
- Ein Halbfinale ist immer schön und etwas Besonderes, daher würde ich sagen, dass das Herren Halbfinale Niederlande – Frankreich mein Highlight war. Es ist allerdings auch mittlerweile mein eigener Anspruch, bei jedem Turnier, zu dem ich fahre, mindestens das andere Halbfinale zu bekommen, wo nicht die Deutschen drin stehen. Der Rest ergibt sich dann meistens in Abhängigkeit unserer Teams.
Diesmal ganz speziell war allerdings der Moment der Verleihung der Goldenen Ehrennadel des Deutschen Hockey Bundes, von der ich rein gar nichts wusste. Normalerweise gibt es immer irgendwie irgendwen, der sowas nicht bis zuletzt für sich behalten kann 😉 Aber da haben sie mich wirklich mitbekommen und wer mich kennt weiß, dass ich gar nicht so groß das Rampenlicht für so etwas brauche. Ich mache die ehrenamtliche Arbeit gerne. Wenn auch natürlich solch eine Auszeichnung eine schöne Anerkennung für die Arbeit ist.
Was ich zudem ganz spannend fand, war, dass der DHB und der TV-Sender Magenta Sport auf mich im Turnier zukamen und mich jeweils einen Tag mit der Kamera begleiten wollten, um einmal Insides aus Schiedsrichtersicht zu zeigen. Das war etwas ganz Neues für mich, hat mir aber tatsächlich viel Spaß gemacht und hat den Fokus zumindest kurzfristig einmal auf die Person „Schiedsrichter“ gelegt, mit dem Highlight natürlich einmal als „Experte“ ins TV-Studio bei der Live-Sendung zu kommen. Das war spannend und aufregend zugleich. Normalerweise sieht man ja nur Trainer und Spieler dort. Plötzlich selbst dabei zu sein, war etwas völlig Neues. Da ich aber Charlotte Stapenhorst als Spielerin kenne und „Stapi“ ja mit mir im Studio war, war da die Aufregung auch relativ schnell verflogen.
Mit Tokyo und Paris durftest du schon bei den größten Turnieren überhaupt pfeifen. Wie reiht sich die Heim-EM in deine bisherige Karriere ein?
- Natürlich stehen Olympische Spiele immer ganz oben und gefühlt kann die auch nichts toppen. Nichtsdestotrotz ist eine EM eine EM. Und eine EM ist jedes Mal auch ein Qualifikationsturnier für die Nationen, diesmal für die WM 2026. Und jeder möchte sich am liebsten darüber qualifizieren und nicht noch im Winter in ein Qualifikationsturnier, um da eventuell zu scheitern, was zudem noch viel Geld kostet. Also ist eine EM auch immer mit einem gewissen Druck verbunden, wenn auch vielleicht nicht so hoch wie bei Olympia. Nach Olympia würde ich von den Turnieren auch keine Reihenfolge bilden wollen. Jedes Turnier hat für sich selbst gesehen etwas Besonderes. Dieses Turnier werde ich mit der Ehrennadel verbinden, das Turnier vor zwei Jahren mit meiner „Golden Whistle“, die ich von der FIH verliehen bekommen habe. Und so könnte ich über jedes Turnier etwas Besonderes schreiben und könnte mich nie entscheiden, wo welches Turnier sich einreiht.
Du hast gerade schon die Verleihung der Goldenen Ehrennadel des DHB angesprochen und dass es auch für dich eine Überraschung war. Wann hast du letztendlich erfahren, dass da was kommt, und was ging dir während der Verleihung durch den Kopf?
- Wie oben beschrieben, wusste ich nichts davon. Die Ehrung fand ja während der Halbzeitpause im Abendspiel Deutschland – Polen statt. Dr. Christian Deckenbrock hatte sich am Vorabend mit mir verabredet, da er etwas „besprechen“ wollte. Allerdings hat dann am Morgen Magenta TV für ein Interview auf Platz 2 angefragt, welches 60 Minuten vor dem Treffen mit Christian stattfand. Ich dachte, dass das Zeit genug ist. Das Interview zog sich aber etwas und nachdem es vorbei war, hatte ich 15 Anrufe in Abwesenheit auf dem Handy, von Christian, dem DHB Präsidenten Henning Fastrich, einer meiner Umpires Manager (die auch alle eingeweiht waren), vom Organisationskomitee Chef. Ich hatte im ersten Moment Panik, dass irgendwas Schlimmes passiert sei und rief sofort zurück. Es hieß, man habe etwas gefunden und ich müsse sofort zu Bernd (Chef vom OK) in den Spielertunnel kommen. Ich war 4 Minuten vor Beginn der Halbzeit dort und als sich dann so langsam der DHB Präsident Henning Fastrich, DHB Vizepräsident Schiedsrichter Christian Blasch und DHB Vizepräsident Recht Dr. Christian Deckenbrock einfanden, wusste ich, es passiert irgendwas. Aber bis zuletzt hatte ich keine Ahnung. Während der Verleihung ging mir eigentlich nicht so viel durch den Kopf. Es ist schön, wenn die Arbeit, die man ja meist im Hintergrund und ehrenamtlich macht, Anerkennung findet und auf diese Weise honoriert wird.
Als bekennender FC Köln Fan im Hotel von Borussia Mönchengladbach untergebracht. Wie schwer war diese sportliche „Belastungsprobe“?
- Darüber möchte ich nicht sprechen. Es waren unglaublich harte 10 Tage! Allerdings hatte ich unser Zimmer mit FC-Artikeln dekoriert.
Wenn du dich zurückerinnerst an die Zeit, wo du am Kahlenberg noch selbst zum Schläger gegriffen hast: Was würdest du deinem jüngeren Ich beim Kahlenberg heute raten, wenn es gerade die ersten Spiele als Schiedsrichter pfeift?
- Genauso wie du es gemacht hast, nochmal machen. Vielleicht am Anfang etwas entspannter an die Sache gehen, nicht wie ein Verkehrspolizist und „Korinthenkacker“ auf jedes Wort in der Spielordnung achten, aber ansonsten nichts anders machen. Schließlich hat mich dieser Weg ja dorthin gebracht, wo ich heute bin, und das möchte ich alles nicht missen.
Zum Abschluss: Was möchtest du den jungen Hockeyspieler:innen bei uns im Verein mitgeben, die vielleicht selbst überlegen, irgendwann mal die Pfeife in die Hand zu nehmen?
- Eigentlich möchte ich es nicht nur den jungen sagen, sondern allen im Verein, die eventuell Scheu haben oder aber am Rand stehen und alles besser wissen. Probiert es einfach mal aus. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Niemand hat zum ersten Mal den Schläger in der Hand und kann wie Gonzallo Peillat Ecken schlenzen. Auch das trainiert er heute noch am Tag bis zu 100x, wenn nicht sogar mehr. Das ist nichts anderes als Schiedsrichter. Ich bin ja auch nicht mit 15 auf den Platz gegangen, habe die Pfeife gehalten und war sehr gut. Das hat wie beim Spielen Jahre gedauert. Man darf sich auch von ersten Rückschlägen nicht aus der Bahn werfen lassen. Ich kann allen nur den neuen Schiedsrichterkurs „RefStart“ vom DHB ans Herz legen. Dieser wurde mit viel Liebe und Herzblut bis ins Detail ausgearbeitet und aufbereitet, sodass selbst der absolute Hockeyneuling die Regeln verständlich und leicht erklärt bekommt und vor allem im eigenen Lerntempo. Das Pfeifen gehört genauso zum Hockeyspiel dazu wie das Vorhand/Rückhand dribbeln. Wie meine Mama schon sagte: „Meckern kannste ganz gut, mach’s doch einfach mal besser“. Und nach der Devise habe ich es dann auch getan und wenn es nicht geklappt hätte, hätte ich auch sagen können: „Ich habe es ausprobiert, es ist nichts für mich, also lasse ich es“. Aber von vornherein „nein“ zu sagen, ist mir persönlich zu einfach.
In diesem Sinne: allen Kahlis ein kräftiges Pi La